Vorbeugung und Vorsorge

Die Risikoabschätzung dient der Abwendung gesundheitsschädlicher Effekte bei Exposition gegenüber Umweltschadstoffen bzw. schädlichen physikalischen oder biologischen Einflüssen. Basierend auf der Risikoabschätzung erfolgt unabhängig davon die Risikobewertung, die wiederum Grundlage für eventuell einzuleitende Schutzmaßnahmen ist

Wenn es gilt Menschen vor schädlichen Wirkungen zu bewahren unterscheidet man zwischen Vorbeugung und Vorsorge. Da beide Begriffe in der Praxis oft durcheinander verwendet werden, hier eine inhaltliche Gegenüberstellung.

Vorbeugung

Der Begriff der „Vorbeugung“ (engl. prevention), bezeichnet den Schutz vor genau bekannten schädlichen Folgen, wie sie beispielsweise bei der Vorbeugung gegen Infektionskrankheiten durch Hygienemaßnahmen und/oder Impfungen erfolgen kann.

Seit 2015 gibt es in Deutschland das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention (PrävG). Weitere Empfehlungen hat die Nationale Präventionskonferenz abgegeben.

Der Bereich Umwelt und Gesundheit ist in diesem Gesetz eher mittelbar vertreten, z. B. über die Gesundheitsförderung in kommunalen settings. Für die Risikoabschätzung spielt die Vorbeugung daher so gut wie keine Rolle.

Vorsoge

Mit „Vorsorge“ (engl. precaution) hingegen bezeichnet man den Schutz vor nicht genau bekannten Schadwirkungen. So erfolgt z. B. jede Risikoabschätzung für eine bestimmte Umweltnoxe immer auf Grundlage des gerade aktuellen Wissensstands. Aufgrund der Fülle von existierender Stoffe tritt jedoch tritt nicht selten das Problem auf, dass die zur Verfügung stehenden Informationen für einen bestimmten Stoff noch wenig erforscht, unvollständig und/oder mehrdeutig sind. Weiterhin erschweren die komplexen Vorgänge im Wechselverhältnis "Umwelt-Mensch" die Möglichkeit zur klaren Festlegung einer Stoffkonzentration, mit der keine schädlichen Wirkungen mehr verbunden sind. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Schadstoffe und die Tatsache, dass Wirkungen auf die Gesundheit häufig erst zeitverzögert auftreten, stellt ein weiteres Problem für eine punktgenaue Risikoabschätzung dar.

An dieser Stelle kommt das Vorsorgeprinzip (engl. precautionary principle) zum Tragen. Denn Unkenntnisse und Unsicherheiten dürfen nicht dazu führen, real vorhandene Risiken zu unterschätzen.

Das Vorsorgeprinzip erhebt den Anspruch, einen Schaden für die menschliche Gesundheit abzuwenden, noch lange bevor dieser deutlich sichtbar geworden ist - vor allem dann, wenn es sich um erst spät eintretende, schwere oder unumkehrbare Gesundheitsschäden handelt. Ziel des Vorsorgeprinzips ist es dabei, die Gesellschaft vor den negativen Folgen falscher politischer Beschlüsse und falscher Verwaltungsentscheidungen zu schützen.

Im Unterschied zur Prävention liegt der Fokus des Vorsorgeprinzips unsichere Risiken und versucht fehlendes Wissen durch schärfere Regeln auszugleichen. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht daher immer eine Betrachtung der Evidenzlage für einen schädlichen Zusammenhang. Bei hoher Evidenz ist wenig Vorsorge erforderlich - je schlechter die fachwissenschaftliche Evidenzlage hingegen ist, desto mehr Vorsorge sollte in die Risikoabschätzung einbezogen werden.

Die Notwendigkeit für das Vorsorgeprinzip kommt eindrucksvoll im Bericht „Späte Lehren aus frühen Warnungen: Das Vorsorgeprinzip 1896–2000“ der European Environment Agency (EEA 2001) zum Ausdruck. Die Autoren zeigten damals anhand von Fallstudien auf, dass zahlreiche Beispiele existieren, in denen Maßnahmen zur Risikominderung bzw. -vermeidung zu spät erfolgten und welche Kosten diesem späten Handeln zuzuschreiben waren, die schließlich von der gesamten Gesellschaft zu tragen waren. Weiterhin wurde versucht „übertriebene“ Beispiele zu benennen, d. h. Situationen, in denen Maßnahmen ergriffen wurden, die sich im Nachhinein als unnötig erwiesen – ohne Erfolg (EEA 2002).

Das Vorsorgeprinzip ist bereits lange ein grundlegendes Prinzip der Umwelt- und Gesundheitspolitik in Deutschland. Während das Vorsorgeprinzip im medizinischen Bereich schon länger seine Anwendung findet, hat es sich erst in den 1970er Jahren in den Umweltverwaltungen etabliert (Bundes-Immissionsschutzgesetz von 1974).

Weltweite Beachtung fand das Prinzip jedoch erst nach der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992, in deren Abschlussdokument sich auch die breiteste Definition für diese Verfahrensweise findet.

Europarechtlich wurden im  Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV oder AEU-Vertrag) Vorsorge und Vorbeugung als Grundprinzipien umweltpolitischen Handelns in der EU festgeschrieben.

Für das LANUV sind diese rechtlichen Rahmenbedinungen Leitlinie des Verwaltungshandelns.

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