Nachdem am Ende der 80er Jahren grundlegende Untersuchungen zur Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmissionen durchgeführt wurden, ist im Januar 1993 die erste Fassung der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) erschienen. Davor wurden in NRW Geruchsbelästigungen auf der Basis der Raffinerie-Richtlinie 1975 und dem Durchführungserlass zur TA Luft 1986 bewertet. Dabei konnte jedoch das Prinzip der Gleichbehandlung nicht gewährleistet werden, da die Kriterien für eine erhebliche Belästigung nicht konkret genug gefasst waren.
Mit der GIRL wurde ein objektives, reproduzierbare und quantitativ beschreibbares Geruchserhebungsverfahren entwickelt, um die Erheblichkeit einer Geruchsbelästigung festzustellen und in Genehmigungs- und Überwachungsverfahren oder im Rahmen der Bauleitplanung berücksichtigen zu können. Dadurch ist es möglich Gerüche nach §3 BImSchG (Bundes-Immissionsschutzgesetz) bei Erfüllung bestimmter Kriterien als erhebliche Belästigungen einzustufen.
Als Maß für die Geruchsbelastung wird die relative Geruchshäufigkeit bezogen auf ein Jahr beziehungsweise Prozent der Jahresstunden mit Geruch herangezogen.
2021 wurde die GIRL vollumfänglich als Anhang 7 in die TA Luft 2021 aufgenommen. Dadurch wurde unter anderem die Regelungslücke der TA Luft in Bezug auf den Schutz vor erheblichen Belästigungen durch Geruchsimmissionen geschlossen. Das Bewertungssystem hat eine verbindlichere Stellung und einen höheren Grad an Rechtssicherheit bekommen und es wurde in allen Bundesländern weitestgehend ein einheitlicher rechtlicher Status geschaffen. Über die Jahre hat sich bis heute die Methodik der Geruchsmessungen und der Ausbreitungsrechnung weiterentwickelt, wobei die Grundsätze der Bewertung jedoch weitestgehend unverändert geblieben sind. Die für die Beurteilung von Gerüchen grundsätzlichen Faktoren sind unter anderem:
Für die Bewertung von Geruchsimmissionen ist unter anderem die Nutzung des beeinträchtigten Gebiets entscheidend. Denn in Abhängigkeit der Nutzungsgebiete werden nach der GIRL Immissionswerte als regelmäßiger Maßstab für die höchstzulässige Geruchsimmission festgelegt. Dabei werden Wohn- und Mischgebiete mit einem Immissionswert von 0,10, Gewerbe- und Industriegebiete mit einem Wert von 0,15 sowie Dorfgebiete mit einem Immissionswert von 0,15 für Geruchsimmissionen aus Tierhaltungsanlagen unterschieden. Für alle anderen Gerüche liegt der Immissionswert in Dorfgebieten bei 0,10.
Wichtig ist, wenn sich der Charakter eines Gebietes mit der Zeit verändert, dort in diesem Fall gegebenenfalls andere Immissionswerte anzusetzen sind. Dies kann zum Beispiel passieren, wenn sich ein Dorfgebiet mit vielen Tierhaltungsanlagen zu einem Wohngebiet mit keinem oder nur einem Tierhaltungsbetrieb wandelt.
In der Regel besteht zum Beispiel für Campingplätze, Kindergärten, Schulen und Altenheimen kein höherer Schutzanspruch als für die sie umgebene Bebauung. Lediglich für die Beurteilung von Kurgebieten, bzw. Luftreinhalteorte können auch andere Kriterien als für die im Anhang 7 TA Luft ausdrücklich genannten Gebiete gelten, wodurch der erhöhte Schutzanspruch berücksichtigt werden kann. So ist mindestens ein Immissionswert für Wohngebiete von 0,10 zugrunde zu legen, aber es kann auch ein Wert von 0,06 festgelegt werden.
Im Anhang 7 TA Luft 2021 heißt es, dass Gebieten, „in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten“ ein Immissionswert zuzuordnen ist. Unter dem Passus „nicht nur vorübergehend“ wird grundlegend der Wohnort verstanden, welcher mit einer Aufenthaltsdauer von 24 Stunden verbunden ist. Aber auch Arbeitnehmer benachbarter Betriebe halten sich eine längere Zeit nicht nur vorübergehend an einem Ort auf. Sie haben durch eine reduzierte Aufenthaltsdauer von ca. 8 Stunden jedoch einen geringeren Schutzanspruch. Wie im Anhang 7 TA Luft festgelegt, sollte eine Gesamtbelastung von 0,25 nicht überschritten werden.
Zudem kann sich in Verbindung mit der tatsächlichen Gebietsnutzung unter Umständen für Personen, die sich nicht ständig oder nicht regemäßig an einem Ort aufhalten ein geringerer Schutzanspruch ergeben. Dies ist zum Beispiel bei automatisch betriebenen Hochregallagern ohne ständigen Arbeitsplatz, Regensammelbecken oder Garagenanlagen in Wohngebieten der Fall.
Keinen Schutzanspruch haben dahingegen Personen, die Tätigkeiten mit nur einer kurzen Aufenthaltsdauer an einem Ort ausüben. Darunter fällt zum Beispiel Wandern, Fahrrad fahren oder Golf spielen.
Die Voraussetzung für die Beurteilung von Geruchsimmissionen ist, dass der Geruch immissionsseitig auch wahrgenommen werden kann. Die alleinige Beurteilung auf Grundlage von emissionsseitigen Geruchsstoffkonzentrationen ist nicht oder nur eingeschränkt zielführend. So sind zum Beispiel Geruchsimmissionen ausgehend von einem Biofilter, wenn sie von anderen (Hintergrund-) Gerüchen überdeckt werden, nicht zu berücksichtigen.
Dabei ist zu beachten, dass dies nur Gerüche betrifft die klar erkennbar von Anlagen emittiert werden. Gerüche aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich, der Vegetation, landwirtschaftlichen Düngemaßnahmen oder ähnlichem werden nicht betrachtet.
Die Beurteilung von Geruchsstoffimmissionen erfolgt anhand von Beurteilungsflächen. Dabei wird die ermittelte Belastung in relativer Häufigkeit mit den zulässigen Immissionswerten verglichen. Die Flächen in der Regel so zu legen, dass ganze Immissionsorte, wie z.B. Wohngebäude umfasst werden. Teile eines Gartens oder Parkplatze sind für eine Bewertung nicht zu berücksichtigen. Sollte es nicht möglich sein die Flächen entsprechend zu positionieren, sind alle Flächen die auf dem relevanten Immissionsort liegen für eine Bewertung heranzuziehen Die Größe der Beurteilungsflächen sollte so gewählt werden, dass sich ein homogener Gradient zwischen Immissionsort und Anlage ausbildet und sich die Belastung benachbarter Flächen nicht um mehr als 0,04 relative Häufigkeit voneinander unterscheiden. Zudem sollten zwei bis drei Flächen zwischen Immissionsort und Anlage liegen. Isolinien sind für die Bewertung von Gerüchen nicht geeignet.
Auch von anderen Bewertungsverfahren wie z.B. der Anwendung von Mindestabständen der zu beurteilenden Anlage zu Anwohnern sollte aufgrund des subjektiven Charakters der Festlegungen abgesehen werden. Die Ergebnisse chemisch-analytischer Messungen haben sich bisher nur unzureichend auf Geruchswahrnehmungshäufigkeiten übertragen lassen und sollten daher bei der Prüfung nicht angewendet werden. Gleiches gilt für "elektronische Nasen", die die Wirkung eines Geruchs auf den Menschen ebenfalls nicht wiedergeben.
Überarbeitet oder neu hinzugenommen bei Aufnahme der GIRL in die TA Luft 2021 sind u.a.:
Die ehemaligen Zweifelsfragen und Auslegungshinweise der GIRL wurden überarbeitet sowie aktualisiert und zusammen zu einem Kommentar zu Anhang 7 TA Luft 2021 verarbeitet.
Im Anhang 7 TA Luft 2021 werden maximal zulässige Belastungswerte für Gerüche (Immissionswerte) genannt, die auf der Überschreitungshäufigkeit von Geruchsstunden beruhen. Die Geruchsstunde basiert auf dem Ermittlungsverfahren der Geruchszeitanteile bei der Rastermessung bzw. der statischen Fahnenbegehung. Dabei protokolliert die Prüfperson über einen Zeitraum von zehn Minuten alle zehn Sekunden ob Geruch wahrgenommen werden kann oder nicht. Mit der Einführung der Geruchsstunde wird berücksichtigt, dass die Belästigungswirkung von Gerüchen nicht nur von der Dauer, sondern auch von der zeitlichen Verteilung des Auftretens abhängt. Die Geruchsstunde ist wie folgt definiert: Falls innerhalb einer Stunde in einem Zehntel der Zeit (10 %) erkennbare Gerüche aus emittierenden Anlagen/Betrieben auftreten, liegt eine Geruchsstunde vor, d.h. die gesamte Stunde wird als Stunde mit Geruchsbelastung gezählt.
Diese Definition ist aus den allgemeinen Eigenschaften des Geruchssinnes, insbesondere seinem ausgeprägten Adaptationsverhalten, abgeleitet. Demnach wären bei gleicher absoluter Gesamtdauer viele kurz dauernde Geruchsschwellenüberschreitungen innerhalb eines Beobachtungszeitraumes belästigungsrelevanter als wenige länger anhaltende, da letztere durch Adaptation wirkungsseitig verkürzt werden. Demnach bewertet das Geruchsstundenkonzept viele Kurzereignisse strenger als wenige länger anhaltende Geruchsepisoden.
Das Konzept der Bewertung der Geruchsimmissionen nach Anhang 7 TA Luft basiert auf Expositions-Wirkungsuntersuchungen bei Anwohnern in Umgebung von geruchsemittierenden Anlagen. Dabei wurden Betriebe untersucht die unangenehme, angenehme und neutrale Gerüche, welche weder eindeutig angenehm oder unangenehm sind, emittieren.
Neben einer Befragung der Anwohner mittels einer speziellen Fragebogentechnik, um u. a. den Grad der Belästigung zu ermitteln, wurden Rastermessungen durchgeführt, wodurch als Belastungsmaß die Geruchshäufigkeit gemessen wurde.
Es wurde der Anteil der Anwohner, die sich sehr stark von Anlagengerüchen in der Außenluft belästigt fühlen, in Abhängigkeit von der Geruchbelastung ermittelt, was den Expositions-Wirkungszusammenhang darstellt.
Es wurde festgelegt, dass, wenn sich 10 % der Anwohner stark durch Anlagengerüche belästigt fühlen, dies als eine erhebliche Belästigung im Sinne des §3 BImSchG zu werten ist. Dies führt in entsprechend des Expositions-Wirkungszusammenhangs, welcher in Abbildung rechts dargestellt ist, zu einer Geruchsbelastung von 11,8 % der Jahresstunden mit Geruch. Dieses Ergebnis spiegelt sich im Immissionswert für Wohn- und Mischgebieten von 0,10 wieder.
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