Luftgetragene Mikroorganismen werden als Bioaerosole bezeichnet. Mikroorganismen kommen überall in der Umwelt vor und üben viele nützliche Funktionen aus. Ein Teil der Mikroorganismen sind allerdings (potenzielle) Krankheitserreger, so beispielsweise einige hundert Bakterienarten. Neben Bakterien sind insbesondere (Schimmel-)Pilze und Viren zu nennen. Es gibt ca. 6000 unterschiedliche Bakterienarten, welche eine sehr unterschiedliche Morphologie besitzen. Bakterien sind ca. 0,2 µm bis 4 µm groß und sehr anpassungsfähig gegenüber ihrer Umwelt. Pilze besitzen eine Größe von 2 bis 100 µm. Es gibt in etwa 120.000 verschiedene Arten.

Bei den Bioaerosolen wird zwischen kultivierbaren und nicht kultivierbaren Mikroorganismen, d. h. lebens- und vermehrungsfähigen sowie abgestorbenen Bestandteilen unterschieden. Bei Messungen von luftgetragenen kultivierungsfähigen Mikroorganismen werden die ermittelten Konzentrationen in Kolonie Bildende Einheiten (KBE) pro m3 Luft angegeben.

Als Stellvertreter für Substanzen, welche nach dem Zelltod von Mikroorganismen freigesetzt werden und umweltmedizinisch für den Menschen relevant sein können, sind die sogenannten Endotoxine zu nennen . Endotoxin-Konzentrationen werden in Endotoxin Units (EU) pro m3 Luft gemessen. Hierbei entsprechen 10 EU 1 ng/m3.

Im Rahmen der immissionsrechtlichen Genehmigung und Überwachung von industriellen und gewerblichen Anlagen wie beispielsweise Tierhaltungsbetriebe werden die möglichen gesundheitlichen Wirkungen der von diesen Anlagen emittierten Bioaerosole für den Menschen thematisiert. Im Mittelpunkt stehen hierbei vor allem Fragen nach den allergenen, toxischen und infektiösen Risiken bei der Inhalation dieser Bioaerosole.

Bioaerosole können eine Reihe von gesundheitlichen Wirkungen auslösen. Diese lassen sich unter die Oberbegriffe Infektionen, Allergien und toxische Effekte einordnen.

Aus der Arbeitsmedizin sind Erkenntnisse über ein gehäuftes Auftreten von bioaerosolbedingten Atemwegserkrankungen bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor allem in der Landwirtschaft bekannt. Allerdings sind die Erkenntnisse aus der Arbeitsmedizin nicht oder nur sehr eingeschränkt auf die Allgemeinbevölkerung inklusive der hierin enthaltenden empfindlichen Personengruppen übertragbar.

In umweltepidemiologischen Studien wurde bei gegenüber bioaerosol-exponierten Personen im Vergleich zu nicht belasteten Personen eine erhöhte Häufigkeit insbesondere für Schleimhautirritationen, chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen (COPD), Asthma, Lungenentzündung, Q-Fieber, Infektionen bei Vorgeschädigten (Asthma, COPD) sowie Campylobakteriose und infektiöse Durchfallerkrankungen beobachtet. Neben diesen schädlichen Effekten wurden auch schützende Effekte (insbesondere geringere Häufigkeit von Atopien und Allergien) festgestellt.

Aus den vorliegenden Erkenntnissen ergeben sich Hinweise für eine Verknüpfung zwischen einem erhöhten Erkrankungsrisiko der Anwohner und Anwohnerinnen und Bioaerosolen. Eine gesicherte Angabe von Dosis-Wirkungs-Beziehungen zwischen Bioaerosolen und gesundheitlichen Wirkungen ist bislang aber nicht möglich. Die Schwere der möglichen Erkrankungen nach Exposition gegenüber Bioaerosolen macht jedoch eine Bewertung im Sinne des Immissionsschutzes erforderlich.

Gesundheitliche Bewertung

TA Luft

Nach Nr. 5.2.9 TA Luft 2021 sind bei Anlagen, die umweltmedizinisch relevante Bioaerosole in relevantem Umfang emittieren können, zur Emissionsminderung dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu treffen. Einen Immissionswert zum Schutz vor Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Bioaerosol-Immissionen enthält die TA Luft nicht. Eine Prüfung, ob durch Bioaerosole aus einer Anlage nach BImSchG schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, ist daher nach Nr. 4.8 TA Luft („Prüfung, soweit Immissionswerte nicht festgelegt sind, und in Sonderfällen“) vorzunehmen. Eine Sonderfallprüfung ist dann erforderlich, wenn hierzu hinreichende Anhaltspunkte vorliegen. Wie konkret bei der Anhaltspunkte- und Sonderfallprüfung vorgegangen werden kann, ist im LAI-Leitfaden Bioaerosole sowie in den Erlassen des MUNV NRW beschrieben.

LAI-Leitfaden Bioaerosole

Mit dem Leitfaden zur Ermittlung und Bewertung von Bioaerosol-Immissionen der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI-Leitfaden Bioaerosole) liegt eine standardisierte Methode zur Bewertung der möglichen Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Bioaerosole im Rahmen von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vor. Dieser dient zur Prüfung, ob von einer Anlage schädliche Umwelteinwirkungen durch Bioaerosole ausgehen und wann eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft vorzunehmen ist. Bei Überschreitung der LAI-Orientierungswerte ist eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft erforderlich. Ferner beschreibt der Leitfaden, wie eine solche Sonderfallprüfung durchzuführen ist. Der LAI-Leitfaden Bioaerosole wird derzeit überarbeitet.

Mit Erlass des MKULNV NRW vom 25.6.2015 wurde der den „Leitfaden zur Ermittlung und Bewertung von Bioaerosol-Immissionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz“ (LAI) für den Vollzug eingeführt.

Bereits am 19.2.2013 veröffentlichte das MKULNV NRW den Erlass „Immissionsschutzrechtliche Anforderungen an Tierhaltungsanlagen“, welcher Vorgaben zur Berücksichtigung der Bioaerosolproblematik in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren von Anlagen zur Haltung von Schweinen und Geflügel enthält. Nach Tierhaltungserlass emittieren Tierhaltungsbetriebe Bioaerosole, die grundsätzlich geeignet sein können, nachteilig auf die Gesundheit der benachbarten Anwohnerinnen und Anwohner einer Anlage einzuwirken. Gibt es hinreichende Gründe für die Annahme, dass Bioaerosol-Immissionen möglicherweise zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen können, sind aus Gründen der Vorsorge nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG solche Risiken durch Emissionsbegrenzungen ggf. auch unter die Gefahrengrenze nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu minimieren.

Zur Umsetzung der o. g. NRW-Erlasse wurden den Vollzugsbehörden zusätzlich die Arbeitshilfe des LANUV vom 10.12.2015 zur Berücksichtigung der Bioaerosol-Thematik in Genehmigungsverfahren sowie ein Katalog zu Auslegungsfragen zur Verfügung gestellt.

Richtlinie VDI 4250 Blatt 1

Nach Richtlinie VDI 4250 Blatt 1 „Umweltmedizinische Bewertung von Bioaerosol-Immissionen“ ist eine gegenüber der Hintergrundbelastung erhöhte Immissionskonzentration umweltmedizinisch unerwünscht und sollte aus Vorsorgegründen verringert bzw. vermieden werden. Dieser Bewertungsansatz stellt eine umweltmedizinische Beurteilung von Bioaerosol-Immissionen und keine immissionsschutzrechtliche Beurteilung dar. Einen Bezug zum Schutz vor Gefahren für die menschliche Gesundheit weist dieser nicht auf. In der Richtlinie VDI 4250 Blatt 1 werden verschiedene Bewertungskriterien genannt. Diese Richtlinie wird derzeit überarbeitet.

Die RichtlinieVDI 4250 Blatt 3 „Anlagenbezogene, umweltmedizinisch relevante Messparameter und Beurteilungswerte“ (Ausgabe August 2016) kann nach TA Luft 2021 als Erkenntnisquelle für relevante Anlagen dienen. In dieser Richtlinie wird für die wichtigsten Anlagenarten wie Tierhaltungs- und Abfallbehandlungsanlagen, bei denen Bioaerosolemissionen und –immissionen von Bedeutung sind, eine Übersicht über anlagenbezogene, umweltmedizinisch relevante Parameter sowie eine Orientierung für ihre umweltmedizinische Bewertung zur Verfügung gestellt. Auch diese Richtlinie befindet sich zurzeit in der Überarbeitung.

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