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FAQ zum Länderbericht „Mikroplastik in Binnengewässern Süd- und Westdeutschlands“

Warum ein gemeinsamer Bericht der Länder zum Thema Mikroplastik?

Die Verschmutzung der Weltmeere durch Kunststoffmüll ist seit Jahrzehnten bekannt. Seit einigen Jahren erfährt auch das Thema „(Mikro)Plastik in Binnengewässern“ zunehmend Aufmerksamkeit in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. Fließgewässer werden nicht mehr nur als potentielle Eintragspfade in marine Systeme diskutiert, sondern systematisch hinsichtlich ihrer Belastung mit Mikroplastikpartikeln untersucht. Entsprechend der historisch jungen Betrachtungsweise gibt es noch keine vereinheitlichten Monitoring- und Analyseverfahren. Die Ergebnisse aus den wenigen verfügbaren Studien lassen sich daher meist nicht ohne weiteres untereinander vergleichen.

Um erstmals einen einheitlichen Datensatz über ein größeres geographisches Gebiet mit unterschiedlichen Fließgewässertypen zu generieren, haben sich in Deutschland fünf Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz) zusammengeschlossen und mit dem gemeinsamen Projektpartner (Universität Bayreuth, Lehrstuhl Tierökologie I) Mikroplastik-Konzentrationen in unterschiedlichen Kompartimenten von süd- und westdeutschen Fließgewässern ermittelt. Der gemeinsame Bericht gibt einen Überblick über die Mikroplastikkonzentrationen in Fließgewässern vom Alpenvorland bis zum Niederrhein.

Welche Untersuchungen wurden durchgeführt, welche Verfahren wurden eingesetzt?

In insgesamt fünf Bundesländern wurden qualitative und quantitative Analysen von Kunststoffpartikeln in unterschiedlichen Gewässerkompartimenten von Fließgewässern und Seen durchgeführt. In dem nun vorliegenden, ersten Berichtsteil werden die Ergebnisse der oberflächennahen Wasserproben vorgestellt. Allein dieses Untersuchungsprogramm ist mit 52 Messstellen eines der umfangreichsten Messprogramme in Fließgewässern weltweit. Für den Länderbericht wurden oberflächennahe Wasserproben verschiedenster Gewässer, von den großen Strömen Rhein und Donau, über größere und mittlere Zuflüsse (z. B. Mosel und Altmühl) bis hin zu kleinen Nebengewässern wie Kraichbach und Körsch untersucht. Dadurch wurde ein breites Spektrum an hydrologischen Gegebenheiten und anthropogenen Einflüssen abgedeckt.

Die Kunststoffpartikel wurden mittels FTIR (Fourier-Infrarot)-Spektroskopie charakterisiert, einem der wenigen anerkannten Verfahren zum eindeutigen Nachweis von Plastikpartikeln.

Im Rahmen des oberflächennahen Monitorings wurden insgesamt mehr als 19.000 Partikel untersucht, wovon 4.335 eindeutig als Kunststoffpartikel identifiziert werden konnten.

In den Proben wurde jeweils Anzahl, Größe, Form und Polymertyp der erfassten Kunststoffpartikel bestimmt. Neben Makroplastik (> 5 mm), großem Mikroplastik (5 ? 1mm) und kleinem Mikroplastik (1 mm – 300 µm) wurde zusätzlich die Kategorie sehr kleines Mikroplastik (300 µm – 20 µm) eingeführt. Gerade die detaillierte analytische Charakterisierung aller Partikel bis zu einer vergleichsweise sehr geringen Größe unterstreicht die Relevanz dieses Datensatzes.

Welche wesentlichen Ergebnisse wurden erzielt? Welche Aussagen lassen sich aus den Untersuchungen ableiten?

Unter Berücksichtigung einiger Unsicherheiten einer Pilotstudie erlaubt der umfangreiche Datensatz erste Aussagen zu allgemeingültigen Mustern sowie messstellenspezifischen Besonderheiten der vorgefundenen Größenfraktionen, Polymersorten und Formen der Kunststoffpartikel.

Zusammenfassend lassen sich folgende Aussagen aus den vorliegenden Ergebnissen ableiten:

  • (Mikro)Plastik wird an allen Probestellen nachgewiesen. Es kann von einer zivilisatorischen Grundlast von Kunststoffpartikeln in den Gewässern ausgegangen werden. Quellregionen sind von dieser allgemeinen Aussage ausgenommen (Stichprobe zu klein).
  • Die Partikelkonzentrationen (> 5 mm bis 20 µm) liegen im Bereich von 2,9 Partikeln pro m³ im Rhein bei Nackenheim bis 214 Partikeln pro m³ in der Emscher (im Mündungsbereich).
  • Die Partikelkonzentrationen innerhalb eines Gewässers bewegen sich häufig in einer vergleichbaren Größenordnung.
  • Konzentrationsanstiege im Bereich von Ballungsgebieten (städtisch oder industriell) oder eine Zunahme entlang des Flussverlaufes wurden nur in Einzelfällen beobachtet.
  • Der größte Anteil (88,5 %) der gesammelten Partikel gehört den Größenklassen „kleines bzw. sehr kleines Mikroplastik“ (1mm bis 20 µm) an. Dies bezieht sich auf die Anzahl erfasster Partikel und berücksichtigt nicht die Masse der einzelnen Fraktionen.
  • Am häufigsten (zusammen 88 %) wurden die Polymere Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) nachgewiesen.
  • Dominierende Partikelform an nahezu allen untersuchten Messstellen waren Fragmente. Fasern, Folien, Beads und Pellets wurden in geringerem Umfang bzw. an einzelnen Messstellen gefunden
  • Trotz der vielen Übereinstimmungen bezüglich Anzahl, Größe, Material und Form der gefundenen Partikel lassen sich aus den Ergebnissen des flächigen Messprogramms auch regionale Unterschiede feststellen.

Wie sind die Mikroplastikkonzentrationen im internationalen Vergleich zu bewerten?

Die Pilotstudie der Länder liefert erste Ergebnisse über das Vorkommen von Mikroplastik in süd- und westdeutschen Gewässern. Auch wenn einige im Bericht beschriebene Unsicherheiten beachtet werden müssen, kann der Datensatz unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes und im Vergleich zu international publizierten Studien zu den umfangreichsten und detailliertesten Datensätzen bezüglich Mikroplastik in Binnengewässern gezählt werden.

Vorbehaltlich der Tatsache, dass ein 1:1-Vergleich von Studien untereinander aufgrund der im Bericht ausführlich geschilderten Unterschiede nur bedingt möglich ist, zeigt ein internationaler Vergleich, dass die in den süd- und westdeutschen Fließgewässern gemessenen Konzentrationen in der gleichen Größenordnung wie in anderen europäischen und nordamerikanischen Gewässern liegen und damit „durchschnittlichen“ Mikroplastikkonzentrationen in Regionen mit vergleichbaren zivilisatorischen Mustern entsprechen.

Welche Handlungsfelder ergeben sich aus den Ergebnissen der Pilotstudie?

Der Nachweis von Mikroplastik an allen untersuchten Messstellen zeigt die ubiquitäre Präsenz dieser Fremdstoffe in der Umwelt.

Obwohl wissenschaftliche Erkenntnisse über die ökologischen Auswirkungen von (Mikro)plastik in Binnengewässern noch weitgehend fehlen, sollten im Sinne des Vorsorgeprinzips frühzeitig Maßnahmen zur Reduktion weiterer Einträge eingeleitet werden, um eine fortschreitende Akkumulation dieser hochpersistenten Materialien zu vermeiden. Von großer Bedeutung ist deshalb die Ermittlung relevanter Eintragspfade, um Maßnahmen effizient an der Quelle anzusetzen.

Die Vielzahl offener Forschungsfragen im Bereich Mikroplastik kann aber nur in großangelegten Forschungsprojekten bearbeitet werden. Dies kann nicht allein auf Länderebene geleistet werden. Sehr umfassende Projekte zu diesen Themen werden deshalb aktuell auf Bundes- bzw. EU-Ebene gefördert. So hat der Bund 2017 die BMBF-Fördermaßnahme

gestartet.