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Mehr Insektenvielfalt durch extensive Landnutzung

Studie aus dem landesweiten Biodiversitätsmonitoring gibt Aufschluss über den Zustand der Tagfalterfauna in Nordrhein-Westfalen

©Franz Löffler

Der weltweite Insektenrückgang hat ein bisher unbekanntes Ausmaß erreicht. Eine gemeinsame Studie der Universität Osnabrück und des Landesamtes für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) im Kontext des nordrhein-westfälischen Biodiversitätsmonitorings verdeutlicht die umfassenden Herausforderungen für den Insektenschutz in Mitteleuropa. Während sich bisherige Untersuchungen vorwiegend auf Schutzgebiete konzentrierten, widmeten sich die Forschenden dem Zustand der Tagfalterfauna in der Gesamtlandschaft. Die Forschungsergebnisse belegen, dass die Lebensbedingungen für Tagfalter insbesondere in den intensiv genutzten Agrar- und Siedlungslandschaften des nordrhein-westfälischen Tieflands unzureichend sind.

„Mit dem Pilotprojekt zum Monitoring von Tagfaltern und Heuschrecken haben wir als erstes Bundesland damit begonnen, die Entwicklung der Insektenbestände standardisiert zu dokumentieren und die Ursachen ihrer Veränderungen zu dokumentieren. Die Ergebnisse dieser Erhebungen zeigen, dass sich die Lebensbedingungen für Insekten regional stark unterscheiden“, erläuterte die stellvertretende LANUV-Präsidentin Dr. Barbara Köllner. Die Forschenden der Universität Osnabrück haben von 2019 bis 2021 im Auftrag des Landes NRW die Tagfalterfauna auf insgesamt 170 Probeflächen der Ökologischen Flächenstichprobe nach bundesweit definierten Methodenstandards erfasst. „Positiv überrascht waren wir darüber, dass wir bei den Erfassungen auf relativ kleiner Fläche mehr als die Hälfte der in NRW vorkommenden Tagfalterarten nachweisen konnten“, so Dr. Franz Löffler, Erstautor der Studie aus der Abteilung für Biodiversität und Landschaftsökologie an der Universität Osnabrück. „Die Vorkommen spezialisierter, gefährdeter Arten sind jedoch weitestgehend auf einige wenige Habitatfragmente zurückgedrängt, die wie Inseln weit verstreut in einer ansonsten intensiv genutzten Landschaft liegen.“

Für viele Arten sind die Umweltbedingungen in den intensiv genutzten Agrar- und Siedlungslandschaften des nordrhein-westfälischen Tieflands unzureichend. In den Mittelgebirgen stellte sich die Situation noch etwas positiver dar. Besonders viele Tagfalterarten und -individuen wurden in strukturreichen Landschaften mit artenreichem Grünland, Waldlichtungen und Saumstrukturen gefunden. Gefährdete Tagfalterarten waren vor allem dort zu finden, wo mageres Grünland in ausreichender Fläche oder viele verschiedene Biotope auf kleinem Raum vorkamen. Nährstoffarme, strukturreiche und extensiv bewirtschaftete Lebensräume, die bis Mitte des 20. Jahrhunderts noch weite Teile der nordrhein-westfälischen Landschaft prägten, sind demnach von herausragender Bedeutung für den Erhalt einer artenreichen Insektenfauna.

Die Ergebnisse der nun in der renommierten Fachzeitschrift „Biological Conservation“ veröffentlichten Studie verdeutlichen, vor welchen Herausforderungen die Naturschutzpraxis gegenwärtig steht. „Um Insekten nicht nur in Schutzgebieten sondern in der gesamten Landschaft zu fördern, ist es zwingend notwendig artenreiche Habitate zu erhalten und diese durch den Ausbau eines funktionierenden Biotopverbunds stärker miteinander zu vernetzen“, betonte Prof. Dr. Thomas Fartmann, Leiter der Abteilung für Biodiversität und Landschaftsökologie der Universität Osnabrück. „Unseren Schutzgebieten mit immer noch intakten Insektenbeständen kommt dabei eine wichtige Funktion zu, weil von dort aus benachbarte Landschaftsausschnitte besiedelt werden können“, ergänzte Fartmann. Zukünftige Schutzkonzepte sollten aber auch stärker auf integrative Ansätze setzen, die durch gezielte Maßnahmen zu einer Verbesserung der Umweltbedingungen in intensiv genutzten Landschaften beitragen können. „Dazu müssten in den Richtlinien der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik eine stärkere Honorierung biodiversitätsfördernder Maßnahmen verankert werden“, ergänzte Professor Fartmann.

Durch die Fortführung des durch das nordrhein-westfälische Umweltministerium geförderten Insektenmonitorings erhoffen sich das Land und die Forschenden auf lange Sicht weitere Erkenntnisse zu den Ursachen der Veränderung der Insektenfauna. Anhand der Daten können zukünftig beispielsweise auch Einflüsse des Klimawandels besser nachvollzogen und die Effizienz von Maßnahmen zum Insektenschutz bewertet werden.

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Weitere Informationen für die Redaktion:

Universität Osnabrück, Abteilung für Biodiversität und Landschaftsökologie Dr. Franz Löffler & Prof. Dr. Thomas Fartmann, Barbarastraße 11, 49076 Osnabrück

Telefon: +49(0)541/9693551

E-Mail: franz.loeffler(at)uos.de, t.fartmann(at)uos.de

URL: http://fartmann.net

Literaturzitat:

Löffler, F. , Grüneberg, C., Drung, M., Freienstein, F.M., Helbing, F., Holtmann, L., Kämpfer, S., Kettermann, M., Münsch, T., Poniatowski, D., Streitberger, M., Stuhldreher, G. & T. Fartmann (2023): Different environmental conditions in lowlands and uplands highlight challenges for butterfly conservation in Central Europe. Biological Conservation 281: 110034. doi.org/10.1016/j.biocon.2023.110034

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