Einfluss der Binnenschifffahrt auf die Luftqualität am Rhein geringer als vermutet

Abschluss des EU-Life-Projekts CLINSH - Clean Inland Shipping

©LANUV/ R. Paschmann

Im Zeitraum von September 2016 bis Februar 2022 hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz mit Partnern aus vier europäischen Ländern den Einfluss der Binnenschifffahrt auf die Luftqualität am Rhein untersucht. Dabei wurden umfangreiche Messprogramme durchgeführt und Maßnahmen zur Emissionsminderung an den Schiffen getestet. Die Ergebnisse wurden nun ausgewertet. Die in öffentlichen Diskussionen mehrfach aufgestellte These, in den rheinnahen Großstädten verursache der Schiffsverkehr einen dominierenden Anteil an der Belastungssituation, wurde nicht bestätigt.

An zwei stark befahrenen Rheinabschnitten in Bimmen/Lobith und in Bad Honnef sowie in den Häfen Duisburg und Neuss/Düsseldorf hat das LANUV den Effekt der Binnenschifffahrt auf die Stickstoffdioxid-Belastung in der Luft untersucht. Messungen am Rhein zeigten, dass der Anteil der Stickoxidbelastung, der durch die Binnenschiffe verursacht wird, mit zunehmendem Abstand zum Rhein schnell kleiner wird. Bereits in 100 bis 150 Metern Abstand zum Rhein wurden signifikante Belastungsanteile aus anderen Quellen ermittelt. Messstellen an Verkehrshotspots in den Städten am Rhein zeigen ein deutlich anderes Belastungsprofil als die Messstellen direkt am Rhein. An den Verkehrshotspots  dominiert mit Anteilen von meist mehr als 50 Prozent der motorisierte Straßenverkehr als Quelle. Die Belastungsanteile der Schiffe liegen dort in der Regel unter zehn Prozent. Das gilt selbst für die unmittelbar neben dem Hafengebiet liegenden Verkehrsmessstellen in Neuss.

Untersuchungen in den Jahren 2018 bis 2020 am stark mit Binnenschiffen befahrenen Rheinabschnitt an der deutsch-niederländischen Grenze ergaben, dass der Effekt der Emissionen aus der Binnenschifffahrt auf die Stickstoffdioxidbelastung in der Luft zwischen einem Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auf der Wind zugewandten Uferseite und vier Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auf der Wind abgewandten Uferseite liegt.

In Neuss und Duisburg wurde in den kompletten Hafengebieten eine geringere Stickstoffdioxid-Belastung als an stark befahrenen Straßen gemessen. Für die Untersuchungen in den Hafengebieten wurden sehr dichte Messnetze mit 19 Messstellen im Hafen Neuss/Düsseldorf bzw. 28 Messstellen im Hafen Duisburg aufgebaut. Die Messnetze waren damit erheblich dichter als im Rahmen der amtlichen Luftüberwachung erforderlich. So war es möglich, ein genaues Bild der Belastung über die gesamte Fläche der Häfen zu erhalten. Die detaillierte Analyse der Verursacher der Stickoxidbelastung an den einzelnen Messpunkten erfolgte mit einer hochaufgelösten Immissionsmodellierung.

Wenn gleich sich die Schadstoffe aus den Abgasrohren der Schiffsmotoren in der Luft schnell verteilen und damit verdünnen, sind die ausgestoßenen Mengen noch immer vergleichbar mit denen auf stark befahrenen Autobahnabschnitten. Und auch wenn die Stickstoffdioxidbelastung inzwischen gesenkt werden konnte und der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahr 2020 erstmals an allen amtlichen Landesmessstellen eingehalten wurde, ist die Verbesserung der Luftqualität noch immer eine Herausforderung in den urbanen Ballungsräumen. Aus Vorsorgegründen muss die Belastung durch geeignete Maßnahmen weiter abgesenkt werden, um auch zukünftig die Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen. Maßnahmen zur Emissionsminderung im Bereich der Binnenschifffahrt tragen dazu bei.

Um die Schadstoffausstöße zu verringern, sind an internationalen Wasserstraßen länderübergreifende Lösungen erforderlich. Deshalb beteiligten sich insgesamt 18 Partner wie Universitäten, Umweltverwaltungen, Ingenieurbüros und Hafenbetreiber aus Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und Deutschland am Projekt Clean Inland Shipping. Leadpartner des Projektes war die Umweltverwaltung der niederländischen Provinz Zuid Holland. Sie organisierte die Förderung der Nachrüstung von 17 Binnenschiffen mit moderner Abgastechnologie mit Geldern aus der EU. Zusätzlich konnten 21 weitere, bereits nachgerüstete Schiffe  ebenfalls am Monitoringprogramm teilnehmen. In diesem Projekt mit einem Gesamtvolumen von ca. acht Millionen Euro wurde an den „fit“ gemachten Schiffen die Wirkung von unterschiedlichen Maßnahmen zur Schadstoffminderung in den Abgasen unter realen Fahrbedingungen getestet.

Das LANUV beteiligte sich mit seinem Laborschiff „Max Prüss“. Bereits 2015 war die „Max Prüss“ mit einem SCRT-Katalysator zur Stickstoffoxidreduktion und einem Dieselpartikelfilter zur Feinstaubminderung ausgerüstet worden. Die Emissionsmessungen erfolgten für unterschiedliche Fahrmodi, bei denen stromauf- und abwärts jeweils nach verschiedenen Motorlasten ausgewertet wurde. Für alle limitierten Schadstoffe konnten positive Reduktionsraten festgestellt werden. Der Stickstoffoxidgehalt im Abgas ist durch die Nachrüstung je nach Fahrmodus zwischen 66 und 96 Prozent gesunken. Die Feinstaubemissionen konnten auf der „Max Prüss“ um 77,8 bis 96,7 Prozent reduziert werden.

Ergebnis des EU-Life-Projekts CLINSH sind auch neue Methoden zur Ermittlung der Emissionen von Binnenschiffen, die auf dem Rhein und in den Häfen fahren, sowie von Schiffen, die in den Häfen liegen. Die Ermittlung der Binnenschiffsemissionen in den Häfen gestaltete sich bisher schwierig. Sie erforderte einen hohen Grad an Vereinfachungen und verallgemeinernden Annahmen. In Zusammenarbeit mit der Universität Bremen wurde auf der Basis kontinuierlicher Messungen eine Methode entwickelt, mit der die Emissionen von Schiffen auf dem Rhein und in Binnenhäfen nun realitätsnah abgeschätzt werden können. Anwendung finden die neuen Methoden und die vielen während des CLINSH-Projekts erhobenen Daten in der Fortschreibung des Emissionskatasters für den Schiffsverkehr in NRW.

Internetseite des Projekts: www.clinsh.eu/Fachberichte: www.lanuv.nrw.de/umwelt/luft/eu-life-projekt-clean-inland-shipping/publikationen

Emissionskataster für den Schiffsverkehr aus dem Jahr 2012: https://www.lanuv.nrw.de/publikationen/details?tx_cartproducts_products%5Bproduct%5D=2&cHash=00988202ead0a2c5ff79ab4782df3a71

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