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Biomonitoring

Bioindikatoren sind Organismen oder Organismengemeinschaften, die auf Schadstoffbelastungen mit Veränderungen ihrer Lebensfunktion reagieren (=Reaktionsindikatoren) bzw. den Schadstoff akkumulieren (= Akkumulationsindikatoren).

In der Vergangenheit wurden in Nordrhein-Westfalen Flechten als Reaktionsindikatoren eingesetzt.

Heute kommen in der Regel nur noch Akkumulationsindikatoren in Form der Graskultur und Grünkohl zum Einsatz. Diese werden meist aktiv an Belastungsstandorten exponiert.

  • Wirkungsdauermessprogramm

    Wirkungsdauermessprogramm WDMP

    Das Wirkungsdauermessprogramm (WDMP) wurde 1995 im Auftrag des Ministeriums für Umwelt Raumordnung und Landwirtschaft des Landes NRW zur Langzeitbeobachtung immissionsbedingter Wirkungen vom Landesumweltamt NRW konzipiert und umgesetzt. Teilweise konnte auch auf ältere Daten früherer Messprogramme zurückgegriffen werden, so dass mittlerweile für einige Schwermetall-Immissionen Zeitreihen über einen Zeitraum von 35 Jahren vorliegen.

    Die Langzeitbeobachtung immissionsbedingter Wirkungen dient zum einen der Ermittlung von Hintergrunddaten für die unterschiedlich belasteten Räume in NRW und deren Charakterisierung. Daraus können Zeitreihen erstellt, Trends ermittelt und Basisdaten für die Umweltberichterstattung sowie Referenzwerte für Gutachten abgeleitet werden. Zum anderen ist das Ziel aber auch die Überwachung von (potentiellen) Emittenten und die Erfolgskontrolle emissions- und immissionsmindernder Maßnahmen. Darüber hinaus dient das WDMP der Qualitätssicherung von Bioindikationsverfahren.

    Entwicklung des WDMP

    Zunächst wurde an 11 Messstationen der Säure- und Stickstoffeintrag bestimmt und die Immissionsrate für Schwefel (SO2) und die Gehalte verschiedener Schwermetalle im Staubniederschlag ermittelt.

    Als Bioindikator wurde die Blattflechte Hypogymnia physodes eingesetzt, deren Absterberaten kontinuierlich beobachtet wurden.

    Mit Hilfe der standardisierten Graskultur und der Grünkohlexposition wurden die Einträge von Schwermetallen in Pflanzen über den Luftpfad untersucht.

    Da die Luftqualität in NRW, insbesondere bezogen auf die SO2-Einträge, in den letzten 25 Jahren deutlich verbessert wurde, waren die Flechten-Absterberaten bereits 2000 an allen Messstationen auf einen sehr niedrigen Wert gesunken, so dass dieses Messverfahren 2004 endgültig eingestellt werden konnte. Auch die Messungen der Immissionsraten von Schwefel werden derzeit nicht mehr durchgeführt.

    Aktuelle Messungen

    Momentan erfolgen an 14 Messstationen Eintrags- und Depositionsmessungen, Staubniederschlagsmessungen und die Exposition von standardisierter Graskultur und Grünkohl.

    Neben der Untersuchung der Pflanzen und des Staubniederschlags auf Schwermetalle, werden seit 1998 (Grünkohl) bzw. 2003 (Gras) auch verschiedene, humantoxikologisch relevante, organische Komponenten bestimmt. Diese persistenten organischen Schadstoffe (Persistent organic pollutants = POPs) sind polychlorierte Biphenyle (PCB), dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle (dl-PCB),  polychlorierte Dibenzodioxine/ - Furane sowie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und deren Leitkomponente Benzo-(a)-Pyren (BaP).

    Dabei dienen die Messstationen an den Waldstandorten im Eggegebirge (Velmerstot), im Rothaargebirge (Hilchenbach), im Bergischen Land (Osenberg) und in der Eifel (Simmerath), die Standorte im landwirtschaftlichen Bereich in Bocholt und in Gütersloh sowie die städtischen Standorte in Köln, Langenfeld, Essen, Dortmund und Duisburg-Walsum der Erfassung der Hintergrundbelastung in NRW. Die Messstation im Duisburger Hafen dient der Überwachung eines stark industriell geprägten Bereiches; die Messstation auf einer Verkehrsinsel in Düsseldorf -Mörsenbroich dient der Erfassung eines stark verkehrsbelasteten Standortes. Die Messstation in Bottrop ist ebenfalls durch eine Quelle beeinflusst, da sie sich in unmittelbarer Nähe zu einer Kokerei befindet.

  • Graskultur

    Biomonitoring mit Graskulturen

    Das Verfahren der standardisierten Graskultur wird im Rahmen des Wirkungsdauermessprogrammes zwischen Mai und September nach der Richtlinie VDI 3957 Blatt 2 durchgeführt.

    Als Akzeptorpflanze wird die Grasart Lolium multiflorum (ssp. italicum) der Sorte Lema verwendet, die gut luftverunreinigende Stoffe anreichern kann.

    Das Gras verbleibt jeweils vier Wochen an einem Standort und wird anschließend auf Schwermetalle und an neun Messstationen zusätzlich auf organische Schadstoffe untersucht.

    Einsatz der Graskultur an Belastungsschwerpunkten

    Die Graskultur wird auch bei der Ermittlung von Emittenten eingesetzt.

    Da das Gras Luftschadstoffe gut „sammelt“ und die Ernte bereits nach wenigen Wochen erfolgen kann, liegen sehr zeitnah Ergebnisse vor.

    So wurden Graskulturen beispielsweise zwischen 2009 und 2010 bei der Ursachenfindung im Dortmunder Hafen eingesetzt.

  • Grünkohlexposition

    Grünkohlexposition

    Im Wirkungsdauermessprogramm werden angelehnt an die Richtlinie VDI 3957 Blatt 4 zwischen Mitte August bis Mitte November (ca. 90 bis 100 Tage) Grünkohlpflanzen in Pflanzcontainern exponiert.

    Grünkohl vermag aufgrund der Oberflächenstruktur der Blätter und der wachshaltigen Kutikula in besonderem Maße lipophile (=fettlösliche), organische Verbindungen zu binden. Nach der Ernte wird der Grünkohl gewaschen und küchenfertig aufbereitet. Die Proben werden auf Schwermetalle und organische Schadstoffe untersucht.

    Da Grünkohl insbesondere lipophile, organische Schadstoffe gut anreichern kann, wird diese Pflanze auch an verschiedenen Belastungsschwerpunkten als Bioindikator eingesetzt.

    Dabei ist es wichtig, dass es sich bei Grünkohl um eine Nahrungspflanze handelt. So kann über den Schadstoffgehalt im Grünkohl die Gefährdung für die Bürgerinnen und Bürger direkt berechnet und ggfls. eine Verzehrempfehlung ausgesprochen werden.

  • Löwenzahnscreening

    Löwenzahnscreening

    Das Löwenzahnscreening ist eine standardisierte Methode (Richtlinie VDI 3957 Blatt 7), um z. B. bei Störfällen in Industriebetrieben oder Bränden zeitnah eine Aussage über die Reichweite der Belastung und eine gesundheitliche Einschätzung von Nahrungspflanzen vorzunehmen. Dabei werden vor Ort wachsende Löwenzahnpflanzen beprobt, die potentiell Schadstoffen ausgesetzt waren. Löwenzahn wächst nahezu überall und kann zu jeder Jahreszeit beprobt werden. Die ermittelten Gehalte können mit Hintergrundwerten für NRW verglichen werden.

     

  • Umweltschäden

    Beurteilungsmaßstäbe bei Umweltschäden

    Um Beurteilungsmaßstäbe (z.B. Grenz- oder Richtwerte) zur Wirkung von Luftverunreinigungen an Pflanzen ableiten zu können, müssen Kenntnisse über Wirkungsabläufe auf den verschiedenen Organisationsstufen in Ökosystemen, sowie bei der Diagnose von Schadwirkungen auf Stoffwechsel, Wachstum und Ertrag vorliegen.

    Durch Luftverunreinigungen können an Pflanzen direkte und indirekte Wirkungen verursacht werden, die als makroskopisch sichtbare Schäden (siehe Abbildung 1) oder in Form von Änderungen einzelner Stoffwechselprozesse manifest werden.

    Photo: Blattnekrose
    Abb. 1: Blattnekrose durch Luftschadstoffe

    Direkte Schäden

    Makroskopisch sichtbar:

    • sichtbare Blattschäden (z.B. Verfärbungen, Nekrosen, Chlorosen)
    • Veränderungen in Wachstum und Ertrag (z.B. reduzierte Biomasse von Früchten und Blättern, geändertes Sproß/Wurzel-Verhältnis)

    Biochemisch/physiologische Veränderungen:

    • Änderungen im Gehalt organischer und anorganischer Zellbestandteile (z.B. Ionen, Kohlenhydrate, Proteine)
    • Beeinträchtigung wichtiger Stoffwechselprozesse (z.B. Photosynthese)
    • Veränderungen subzellulärer Strukturen (z.B. Schäden an Membranen)

    Indirekte Schäden

    • Verminderte Frost- und Hitzeresistenz
    • Beschleunigte Alterung
    • Erhöhter Befall durch Schädlinge (z.B. Viren, Pilze)

    Anforderungen an die Beurteilungsmaßstäbe

    Um Dosis-Wirkungsbeziehungen, die entscheidende Grundlage für die ökotoxikologische Risikobewertung, z.B. im Rahmen der Grenzwertableitung nach dem Luftqualitätsprinzip ableiten zu können bzw. um kausalanalytische Fragestellungen zu beantworten und numerische Werte zwischen Immission und Wirkung zu gewinnen, sind neben Freilanduntersuchungen in belasteten Gebieten auch standardisierte Experimente unter kontrollierten und reproduzierbaren Bedingungen notwendig. Die Versuchsanlagen haben demzufolge folgende Anforderungen zu erfüllen:

    • Repräsentanz der simulierten Situation für die Praxis
    • kausalanalytische Sicherheit durch definierte Nachbildung von Umwelteinflüssen
    • Quantifizierbarkeit von Immission und Wirkung

    Eine experimentelle Versuchsanordnung bzw. Einrichtung, die alle Bedingungen gleichermaßen erfüllt existiert nicht, da sich die genannten Anforderungen bei der technischen Umsetzung z.T. widersprechen. So bedingt z.B. die möglichst hohe Praxisnähe ( d.h. möglichst natürliche Bedingungen) aufgrund der Fülle der Einflussparameter Einschränkungen hinsichtlich der Standardisierbarkeit. Die einzelnen verfügbaren Untersuchungsmethoden werden diesen Anforderungen in unterschiedlichem Maße gerecht, so dass abgesicherte, interpretierbare Ergebnisse nur durch eine Kombination verschiedener Untersuchungsebenen zu erzielen sind.

  • Staubniederschlag

    Staubniederschlag

    Im Rahmen des Wirkungsdauermessprogrammes werden Staubniederschlagsmessungen durchgeführt. 

    Der Staubniederschlag wird während der Vegetationsperiode von Mai bis November mit Hilfe von sogenannten Bergerhoffgefäßen gesammelt und auf seine Inhaltsstoffe (Schwermetalle) analysiert.