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Gewässerstruktur in NRW

 

Die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union (EU-WRRL) verlangt eine ganzheitliche Gewässerschutzpolitik, welche die ökologische Funktionsfähigkeit der Fließgewässer unter Einbeziehung der Gewässerstruktur zugrunde legt. Unter dem Begriff Gewässerstruktur werden „sämtliche räumlichen und materiellen Differenzierungen des Gewässerbettes und seines Umfeldes verstanden, soweit sie hydraulisch, gewässermorphologisch und hydrobiologisch wirksam und für die ökologischen Funktionen des Gewässers und der Aue von Bedeutung sind.

Die einzelnen Strukturkomponenten können natürlicherweise entstanden, anthropogen geschaffen oder initiiert worden sein“.

Die Gewässerstruktur umfasst also alle natürlichen und künstlichen Strukturen der Gewässersohle, der Ufer und der Aue, die die Lebensbedingungen am und im Fließgewässer prägen. Sie stellt ein zentrales Themenfeld der „Hydromorphologie“ dar, welche sich mit der Gestalt und Entwicklung von Gewässern und Auen im Zusammenspiel mit Sediment- und Wasserbewegungen befasst. Das Ziel im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie ist es, die Gewässerstruktur flächendeckend in einen möglichst natürlichen Zustand zurückzuführen. Naturnahe Gewässerstrukturen sind wichtige Voraussetzungen für vielfältige Lebensräume und damit für naturraumtypische Pflanzen und Tiere.

Die Umweltverwaltung kartiert bereits seit 1999 nach bundesweit einheitlichen Vorgaben die Strukturdaten der Fließgewässer in NRW. Im Jahr 2004 wurden diese Daten dann erstmals flächendeckend (siehe Bericht 2005) veröffentlicht. Entsprechend den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie erfolgte dann in den Jahren 2011 bis 2013 erneut eine landesweite Erhebung der Gewässerstruktur auf der Grundlage eines weiter entwickelten Erhebungsverfahrens, das erstmals auch Bauwerke in und an Fließgewässern systematisch berücksichtig. Auf Basis dieser Kartierung finden seit 2016 für einzelne Gewässer und/oder Gewässerabschnitte Neu- bzw. Nachkartierungen der Gewässerstruktur und der Bauwerke statt. Neukartierungen bezeichnen Kartierungen von neu angelegten oder veränderten Gewässerverläufen (z. B. durch hydromorphologische Umsetzungsmaßnahmen) ohne vorliegende Gewässerstrukturdaten; Nachkartierungen bezeichnen die Aktualisierung bestehender Gewässerstrukturdaten. Die Ergebnisse dieser Kartierung stehen hier zur Verfügung und sind über das Fachinformationssystem ELWAS mit dem Auswertewerkzeug ELWAS-WEB öffentlich zugänglich.

Die Kartierung der Gewässerstruktur und die Erfassung von Bauwerken in und an Fließgewässern erfolgt von der Mündung bis zur Quelle, wobei das Gewässer in Abhängigkeit der Sohlbreite in 100m, 500m oder 1000m -Abschnitte unterteilt wird. Für jeden Abschnitt wird eine Bewertung der Gewässerstruktur anhand eines fest vorgegebenen Systems von 31 Einzelparametern, die die ökologischen Funktionen eines Fließgewässers beschreiben (z.B. Laufkrümmung, Tiefenvarianz, Sohlsubstrat, Uferbewuchs, Flächennutzung etc.) durchgeführt, (LANUV-Arbeitsblatt 18). Aus den Erhebungen der Einzelparameter lassen sich Bewertungen für sechs Hauptparameter (Laufentwicklung, Längsprofil, Sohlstruktur, Querprofil, Uferstruktur und Umfeld) berechnen und weiter zu einer Gesamtbewertung für den betrachteten Kartierabschnitt aggregieren. Die Bewertung erfolgt in einer siebenstufigen Skala. Sie bewertet die Abweichung des Ist-Zustandes eines Gewässerabschnittes von dem so genannten "Leitbild". Dabei handelt es sich um den Zustand, der sich nach Aufgabe vorhandener Nutzungen in und am Gewässer und seiner Aue sowie nach Rückbau sämtlicher Verbauungen einstellen würde. Die beste Bewertung (unverändert Strukturklasse 1) ist an diesem Leitbild ausgerichtet. Der Beschreibung des Leitbildes liegt der morphologische Fließgewässertyp zugrunde. Er kann der aktuellen Fließgewässertypenkarte NRW (siehe ELWAS-WEB) entnommen werden. Während der Gewässerstrukturkartierung werden Bauwerke gemäß dem LANUV-Arbeitsblatt 38 erfasst.

Die Gewässerstrukturkarte zeigt anschaulich, dass viele Gewässer durch Ausbaumaßnahmen und Nutzungen in der Vergangenheit mehr oder weniger stark verändert wurden. Sie sind durch die Farben Gelb (stark verändert), Orange (sehr stark verändert) oder Rot (vollständig verändert) gekennzeichnet. Daneben gibt es aber auch Gewässer bzw. Gewässerabschnitte, die gegenüber dem Leitbild nur mäßig (Grün) bzw. gering (Blau) verändert sind und sich damit unter hydromorphologischen Gesichtspunkten in einem "guten" bis "sehr guten" Zustand befinden. Diese Gewässer gilt es besonders zu schützen.

 

2013
(~ 13500 km
bewertet)
Struktur-
klasse
Grad der BeeinträchtigungKartendarstellung
1,4 %1.Unverändertdunkelblau.
5,0 %2.Gering veränderthellbau.
11,9 %3.Mäßig verändertdunkelgrün.
15,0 %4.Deutlich veränderthellgrün.
25,0 %5.Stark verändertgelb.
26,7 %6.Sehr stark verändertorange
15,0 %7.Vollständig verändertrot.

Auswertung der Fließgewässerstruktur in NRW nach Längenanteilen pro Strukturklasse (vorläufige Ergebnisse der beauftragten Erhebungen)

Die Karte zur Gewässerstruktur gibt Hinweise auf lokale strukturelle Defizite der Fließgewässermorphologie. Doch auch in stark veränderten Gewässern, die in der Karte orange bis rot dargestellt sind, kann es noch aquatisches Leben geben. Erst durch einen Abgleich mit den biologischen Qualitätskomponenten der EU-Wasserrahmenrichtlinie (Zusammensetzung und Abundanz der benthischen Wirbellosenfauna, der Fischfauna und der Gewässerflora) kann entschieden werden, ob eine naturnahe Gewässerumgestaltung notwendig ist, um eine Verbesserung der Gewässerökologie im Sinne der EU-WRRL zu erreichen. Die Vorgehensweise bei einer derartigen Umgestaltung ist in der „Blauen Richtlinie“ (2010) praxisnah erläutert.

Eine deutliche Verbesserung der Gewässerstruktur fördert aber nicht nur die Besiedlung von Fließgewässern mit aquatischen Organsimen. Sie hilft auch, die Schadwirkungen von Hochwassern zu mindern, da sich das Hochwasser in den naturnahen Auen ausbreiten kann. Dadurch werden Abflussspitzen und Überschwemmungen in Siedlungsgebieten deutlich reduziert. Insofern sind Erhebung und Darstellung der Gewässerstruktur ein wesentlicher Baustein für die Bewirtschaftungsplanung von Flusseinzugsgebieten in Nordrhein-Westfalen.

Naturnaher Gewässerausbau und Naturnahe Gewässerunterhaltung

Eine der Zielsetzungen der Wasserwirtschaft im Land Nordrhein-Westfalen ist es, natürliche und naturnahe Fließgewässer zu schützen und gestörte Gewässer in einen naturnahen Zustand zurückzuführen.

Zu diesem Zweck wurde die folgende Richtlinie erarbeitet und veröffentlicht: